Vom Streuner zum Familienhund

Wunschvorstellung Familienhund

Für viele Familien stellt es den perfekten Abschluss der Familienplanung dar: Die Kinder sind aus dem gröbsten raus und es wäre doch schön, wenn sie mit einem Gefährten aufwachsen könnten. Dieser Gefährte hat vier Beine und ein flauschiges Fell.  Er ist immer nett und lässt alles mit sich machen. Er freut sich über jeglichen Besuch von anderen Kindern und lebt einfach friedlich als Familienhund in der Familie mit. So zumindest die Wunschvorstellung, die durch Film und Fernsehen auch kräftig gefüttert wird.

Das Problem: dieses Wunschbild entspricht in der Regel nicht der Realität. Ja, du kannst Glück haben und der entspannteste Hund zieht bei dir ein, der alle oben genannten Kriterien erfüllt. Das ist jedoch nicht immer der Fall und es gibt auch bei sorgfältiger Vorbereitung keine Garantie dafür. Den Familienhund gibt es nicht! Jeder Hund ist ein Individuum und damit das Familienleben auch mit dem Hund harmonisch bleibt, gilt es einiges zu beachten.

Den Familienhund gibt es nicht

Generell beim Thema Kind und Hund gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht! Denn jeder Hund hat Zähne und jeder Hund ist potenziell dazu in der Lage, diese Zähne auch einzusetzen. Auch die Hunde, die als freundliche Anfänger- und Familienhunde verkauft werden! Beißvorfälle passieren meistens zu Hause mit den engsten Familienmitgliedern und kommen für die Beteiligten unerwartet. Wird von uns Expert*innen genauer hingesehen, gab es Anzeichen, dass es so weit kommen konnte und der Vorfall wäre mit dem richtigen Wissen vermeidbar gewesen.

Dieser Artikel soll dich als Elternteil über die größten Risikofaktoren im Zusammenleben von Kind und Hund aufklären. Damit dein Kind und dein (zukünftiger) Hund friedlich und ohne Zwischenfälle zusammen aufwachsen können.

Kinder sind für Hunde gruselig

Kinder und Hunde sprechen eine andere Sprache. Kinder verstehen Hund nicht und Hunde verstehen Kinder nicht. Denn Kinder bewegen sich für Hunde unberechenbar und verhalten sich dazu oft übergriffig. Hunde sind für Kinder lustig und es macht Spaß, sie zu jagen, sie festzuhalten oder an ihnen rumzuspielen. Dem Hund macht das jedoch keinen Spaß!

Vielleicht hat dein Kind schon einmal deine Aufmerksamkeit durch Anstupsen eingefordert. Zunächst konntest du ruhig bleiben, aber irgendwann ist dir der Geduldsfaden gerissen. Genauso geht es unseren Hunden. Sie ertragen echt richtig viel, doch irgendwann ist es zu viel und das Fass ist voll: Es kommt zu Abwehrverhalten des Hundes.

Begleite dein Kind und deinen Hund

Daher ist es besonders wichtig, dass du dein Kind niemals unbeaufsichtigt mit dem Hund allein lässt! Kinder können die Körpersprache von Hunden nicht richtig lesen und sehen ein gefletschtes Gebiss als Lachen! Kinder mit dem Hund allein zu lassen, ist gefährlich, weil sie den Hund unter Umständen trotz deutlichem Warnverhalten weiter bedrängen.

Du als erwachsene Person bist in der Verantwortung, dich mit der Körpersprache deines Hundes auseinanderzusetzen. So kannst du brenzlige Situationen frühzeitig erkennen und reagierst nicht erst, wenn es zu spät ist. In unser Webinar „Körpersprache erkennen und verstehen“, lernst du dabei alles, was du über die Feinheiten der hündischen Körpersprache wissen musst. Damit du erkennen kannst, ob es deinem Hund noch gut geht oder ob er Hilfe von dir braucht.

Dafür solltest du stets dafür sorgen, dass sich der Hund jederzeit zurückziehen kann. Es kann auch sinnvoll sein, dass dein Hund nicht in die direkte Interaktion mit deinem Kind muss. Manche Hunde beobachten lieber aus der Ferne. Denn manche Hunde geraten im Direktkontakt mit dem Kind in einen Konflikt: Sie würden gerne bei ihrer Bezugsperson bleiben, sie möchten aber auch die Situation verlassen. Dieser Konflikt kann Aggressionsverhalten auslösen. Daher ist es im Zweifel besser, keine Interaktion zwischen Kind und Hund zuzulassen als eine konfliktbehaftete Interaktion zu übersehen.

Vorbild sein: Richtigen Umgang lehren

Alles, was neu ist, ist für Kinder enorm spannend. Zieht ein Haustier ein, besteht ein enormes Bedürfnis danach, mit diesem Tier zu interagieren. Es ist enorm wichtig, das Kontaktbedürfnis deiner Kinder zu bremsen. Denn Kind und Hund kennen sich noch nicht und müssen erst lernen, welche Regeln im Umgang gelten. Die Kinder müssen angeleitet werden, wie sie richtig mit dem Hund umgehen und wie sie ihn nicht ängstigen.

Regeln und Grenzen

Bring deinen Kindern von Anfang an bei, dass der Hund zu ihnen kommt, wenn er das möchte. Sie sollten nicht frontal auf den Hund zugehen, da dies bedrohlich wirkt. Wenn deine Kinder den Hund anfassen wollen, begleite sie dabei. Bring ihnen bei, sich neben den Hund zu stellen und den Hund vor dem Anfassen kurz anzusprechen. Sind sie dazu noch nicht in der Lage, ist es deine Aufgabe als Elternteils, euren Hund auf das Anfassen vorzubereiten. Der Hund sollte nicht am Kopf und immer nur mit einer Hand angefasst werden. Leite dein Kind an, den Hund mit einer Hand an der Seite zu streicheln. Macht zwischendurch Pausen, um zu sehen, ob euer Hund zum Weitermachen auffordert. So kann dein Kind direkt lernen, wie euer Hund ja und nein kommuniziert.

Erkläre deinem Kind auch, dass es Tabu ist, an den Ohren, am Schwanz oder am Fell zu ziehen. Auch Hunde spüren Schmerzen und wollen, dass man ihnen nicht weh tut. Erkläre deinen Kindern, dass der Hund kein Reittier oder Kletterturm ist. Dadurch könnte er sich eingeschränkt oder bedrängt fühlen. Bringe deinen Kindern bei, dass der Hund in Ruhe schlafen gelassen wird. Das Hundekörbchen gehört dem Hund, es ist sein Zimmer. Jeder darf in seinem Zimmer seine Ruhe haben.

Hundespielsachen gehören dem Hund und werden diesem auch gelassen. Möchte dein Kind mit dem Hund spielen, zeige ihm, wie es mit leichten Suchspielen mit dem Hund interagieren kann. Sollte der Hund mal ein Spielzeug vom Kind erwischen, bring deinem Kind bitte bei, dass es sofort zu dir kommt. Du kannst das Spielzeug mit sehr hochwertigem Futter oder einem Kauartikel wegtauschen. So beugst du automatisch auch Ressourcenverteidigung vor, da sich niemand gerne Gefundenes einfach wegnehmen lässt.

Regeln veranschaulichen

Damit deine Kinder diese Regeln verinnerlichen können, hängt ein Plakat auf. Darauf haltet ihr fest, wie mit dem Hund umgegangen werden darf und wie nicht. So haben die Kinder zusätzlich zu deiner Anleitung eine visuelle Orientierung. Vergiss nicht, dein Kind dafür zu loben, wenn es Rücksicht auf den Hund nimmt. Das ist nicht selbstverständlich.

Durch die richtige Anleitung deines Kindes kann schon viel Aggressionspotenzial entschärft werden. Denn Beißvorfälle passieren vor allem, weil Kinder auf den Hund klettern, ihn umarmen oder ihn in die Ecke drängen. Wird auf das Mitspracherecht des Hundes geachtet, können Kind und Hund von Anfang an voneinander lernen.

Spielende Kinder - Überfordeter Hund

Leider genügt es noch nicht, unser Kind anzuleiten, wie es richtig mit dem Hund interagiert. Eltern müssen auch wissen, welche Situationen für Hunde im Zusammenleben mit Kindern extrem schwierig sind. Denn dort lauert abgesehen von der direkten Interaktion von Kind und Hund das größte Konfliktpotenzial.

Kinder spielen gerne, auch mal wild und auch mal laut. Das kann den Hund dazu animieren, mitzumachen oder auch verunsichern, weil er die Bewegungen und die Lautstärke nicht einschätzen kann. Eine hohe Erregungslage ist der perfekte Nährboden für unerwünschtes Verhalten wie zum Beispiel Anspringen, Bellen oder auch Zwicken.

Dazu musst du wissen, dass Hunde Jahrtausende lang als Jagdhunde eingesetzt wurden. Sie tragen dieses Erbe nach wie vor in sich. Ihre Aufgabe ist es, Bewegungsreize zu registrieren, zu verfolgen, zu fangen und zu erlegen. Spielende Kinder sind für Hunde besonders anspruchsvoll, da viel Bewegung besteht. Auch Spielzeug fliegt mal durch die Luft. Das ruhig auszuhalten ist für viele Hunde sehr schwierig und verbraucht viel Impulskontrolle.

Hunde sind in Familien mit Kindern häufig viel Bewegung und Lautstärke ausgesetzt, was viele Hunde stresst. Und gestresste Hunde neigen zu verstärktem Jagdverhalten. Daher ist es sinnvoll, spielende Kinder durch Türgitter oder geschlossene Türen vom Hund abzutrennen. Bringt dabei den Hund entweder aus der Reizsituation oder gebt ihm entspannende Alternativen wie langanhaltende Kauartikel oder eine Lickimat. Damit der Hund zum Familienhund werden kann, muss das spielende Kind für ihn angenehm sein. Überlassen wir den Hund in diesen schwierigen Situationen sich selbst, kann er ein echtes Problem mit den Kindern entwickeln.

Anspringen, Bellen und Zwicken vorbeugen

Ziel ist es, dass unser Hund lernen kann, spielende Kinder nicht als Bedrohung zu empfinden. Er soll in ihrer Gegenwart ruhig bleiben und im Idealfall sogar entspannen können. Gerade wenn der Hund noch neu in der Familie ist, solltest du nicht mit Kauartikeln sparen. Sie entspannen die Kiefermuskulatur und lenken vom Stress der spielenden Kinder ab. Sollte dein Hund keine Kauartikel nehmen können, ist das ein klares Alarmzeichen dafür, dass es für ihn zu viel ist! Nimm den Hund dann bitte sofort aus der Situation und entspanne mit ihm an einem ruhigen Ort.

Sollte dein Hund in Gegenwart der Kinder unerwünschte Verhaltensweisen wie bellen oder herumspringen zeigen, hole den Hund ab, bring ihn an einen ruhigen Ort und entspanne dort mit ihm. Bitte die Kinder, auf eine ruhigere Aktivität zu wechseln. Wenn dein Hund möchte, könnt ihr nun zurückkehren und weiter gemeinsam entspannen. Manche Hunde sind aber auch ganz froh, wenn sie grundsätzlich in einem anderen Raum sein dürfen. Dort haben sie ihre Ruhe, wenn die Kinder aktiv sind.

Merke: Ein Familienhund muss nicht immer dabei sein, um zur Familie zu gehören und sich wohl zu fühlen!

Hilf deinem Hund, Familienhund zu werden

Willst du, dass dein Kind und dein Hund ein harmonisches Team werden, wird dies nicht einfach so passieren. Als Elternteil übernimmst du mit diesem Wunsch eine große Verantwortung. Es ist deine Aufgabe, das neue Familienmitglied kleinschrittig an alle Reize heranzuführen, die ein Familienleben ausmachen. Familienhund sein, bedeutet, sich wohl und sicher zu fühlen. Es bedeutet, dass auch die Grenzen des Hundes gewahrt werden, weil auch er ein Teil der Familie ist. Warte nicht darauf, dass etwas passiert! Agiere proaktiv und begleite den Kontakt zwischen deinem Kind und dem Hund! So, dass sich alle wohl fühlen und gegenseitige Rücksichtnahme lernen können.

Falls du dir überlegst, einen Hund aus dem Tierschutz aufzunehmen, laden wir dich herzlich zum Webinar „die ersten Wochen mit Tierschutzhund“ ein, in dem wir auf das Thema Kind und Hund noch einmal ausführlicher eingehen und auch deine individuellen Fragen dazu beantworten können.

Tierschutzhund

Die ersten Wochen mit Tierschutzhund

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